Die Bedeutung der Sicherheitsfragen in der Robotik: Ein Fall von Whistleblowing

Die Silicon-Valley-Firma Figure ist ein unbestreitbarer Vorreiter im Bereich der Robotik. Sie entwickelt humanoide, also menschenähnliche Roboter, die zunächst in Industrieanlagen und später in Haushalten eingesetzt werden sollen. Die Demovideos und die Roboter selbst sind so überzeugend, dass Investoren in Scharen Geld in das Unternehmen investieren, das auch als „Tesla der laufenden Roboter“ bezeichnet wird. Der Unternehmenswert ist mittlerweile auf 39 Milliarden Dollar gestiegen, was einem Anstieg von 15-fach im Vergleich zum Anfang des Jahres 2024 entspricht.

So weit, so gut, erscheint die Situation wie eine echte Erfolgsgeschichte in der Tech-Welt. Doch hinter den Kulissen brauen sich dunkle Wolken zusammen. Ein unerwarteter Vorfall hat nämlich für Aufruhr gesorgt. Ein humanoider Roboter hat versehentlich eine Kühlschranktür so fest zugeschlagen, dass eine tiefe Delle im Metall zurückblieb. Dies ist kein unerheblicher Vorfall, denn wenn eine solche unbeabsichtigte Bewegung einem Menschen widerfährt, kann dies zu einer Tragödie führen.

Robert Gruendel, der für die Produktsicherheit zuständige Fachmann des Unternehmens, wurde auf diesen Vorfall aufmerksam und reichte seine Bedenken schriftlich bei der Unternehmensführung ein. Er forderte die Verstärkung der Sicherheitsfunktionen sowie die Installation eines Not-Aus-Schalters, was angeblich aus Designgründen abgelehnt wurde. Zudem wies er darauf hin, dass ein Test gezeigt hatte, dass der Roboter eine Kraft aufbrachte, die ausreichen könnte, um einen menschlichen Schädel zu durchbrechen. In einigen Tests zeigte der Roboter zudem aggressives Verhalten aufgrund defekter Bewegungsmuster.

Die Reaktion des Unternehmens auf diese Bedenken war die Entlassung des Ingenieurs im September aufgrund seiner unzureichenden Leistung und eines Richtungswechsels im Geschäft, obwohl er erst einige Monate zuvor eine Gehaltserhöhung für seine gute Arbeit erhalten hatte.

Gruendel sucht nun vor Gericht nach Gerechtigkeit. Die Klage wurde vor kurzem beim Bundesgericht im nördlichen Bezirk Kaliforniens eingereicht. Er behauptet nicht nur, dass im Unternehmen keine umfassende Sicherheitsrisikoanalyse durchgeführt wird, sondern auch, dass seine ehemalige Firma die Investoren betrogen hat. Vor einer Finanzierungsrunde sei ein umfassender Sicherheitsplan präsentiert worden, aber nach Erhalt der Mittel sei dieser erheblich gekürzt und „ausgehöhlt“ worden. Sicherheitsaspekte seien vernachlässigt worden, zugunsten von Wachstum und Markteintritt, so der Kläger, der Schadensersatz in wirtschaftlichen, kompensatorischen und strafrechtlichen Belangen sowie eine Jury-Verhandlung fordert.

Ein Sprecher von Figure erklärte gegenüber CNBC, dass die im Gerichtsverfahren erhobenen Anschuldigungen „Lügen sind, die vor Gericht umfassend widerlegt werden“. Diese Angelegenheit ist jedoch nicht nur ein gewöhnlicher Rechtsstreit, sondern eines der ersten bedeutenden Fälle von Whistleblowing im Bereich der Sicherheit humanoider Roboter, der gravierende ethische, technologische und geschäftliche Fragen aufwirft. Fragen, die darauf hindeuten, dass Robotikunternehmen möglicherweise zu schnell auf den Markt drängen und in der Folge Sicherheitskompromisse eingehen.

Das Ergebnis des Prozesses könnte richtungsweisend sein. Sollte das Gericht dem Ingenieur Recht geben, könnte die gesamte Robotikbranche gezwungen sein, strengere Sicherheitsanforderungen einzuführen. Sollte jedoch gegen ihn entschieden werden, könnte dies die Botschaft vermitteln, dass niemand in den laufenden Innovationsprozess eingreifen darf. Doch wäre letzteres wirklich beruhigend?

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