Fatale Kettenreaktion: Vulkausbruch soll Pest in Europa ausgelöst haben

Laut einer neuen Studie hat ein Vulkanausbruch im 14. Jahrhundert eine Reihe von Ereignissen ausgelöst, die schließlich den Schwarzen Tod nach Europa brachten. Ein Verbund von Forscherteams nennt dies ein frühes Beispiel für die Auswirkungen der Globalisierung.

Der Auslöser des Schwarzen Todes

Die Analyse zeigt, dass ein Vulkanausbruch der erste Dominostein in einer Kette von Ereignissen war, die das Grauen des Schwarzen Todes nach Europa führten. Die durch den Vulkanausbruch bedingten sinkenden Temperaturen führten zu Ernteausfällen, welche durch verstärkten Fernhandel kompensiert wurden, was zur Einschleppung der Pest beitrug. Diese Schlussfolgerung wurde von Ulf Büntgen von der Universität Cambridge und Martin Bauch vom Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europas (GWZO) in Leipzig formuliert.

Kombination vieler Faktoren

Den Forschern zufolge kann dieser „perfekte Sturm“ aus klimatischen, landwirtschaftlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Faktoren als frühes Beispiel für die Versorgungsfolgen der Globalisierung angesehen werden. Der Schwarze Tod war eine der verheerendsten Katastrophen der Menschheitsgeschichte. Zwischen 1347 und 1353 führte die Epidemie zu Millionen Todesfällen in Europa, wobei in einigen Regionen die Sterblichkeitsrate bei fast 60 Prozent lag.

Einblicke von Büntgen

„Das ist etwas, das ich schon lange verstehen wollte“, erklärt Büntgen. „Was waren die Treiber des Beginns und der Übertragung des Schwarzen Todes und wie außergewöhnlich waren sie? Warum trat das Phänomen gerade zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort in Europa auf?“

Ursprung der Pest in Zentralasien

Der Erreger der Pest, das Bakterium Yersinia pestis, wird hauptsächlich über Insekten wie Flöhe verbreitet. Es gelangte aus Nagetierpopulationen in Zentralasien nach Europa. Historiker unterscheiden drei bedeutende Pest-Pandemien: die Justinianische Pest zwischen 541 und 544, den Schwarzen Tod im 14. Jahrhundert und die Dritte Pandemie, die ab dem Ende des 19. Jahrhunderts in Süd- und Ostasien wütete.

Klimatische Daten und Dokumente

Büntgen und Bauch analysierten historische Dokumentationen sowie Klimadaten, die von Baumringen aus den spanischen Pyrenäen abgeleitet wurden. Dadurch konnten sie nachweisen, dass die sogenannten „blauen Ringe“ – Phasen mit geringem Wachstum – auf einen außerordentlich kalten und nassen Sommer in den Jahren 1345, 1346 und 1347 in weiten Teilen Südeuropas hinweisen. Während ein einzelnes kaltes Jahr nicht ungewöhnlich ist, sind mehrere kalte Sommer in Folge durchaus bemerkenswert, erläutern sie im Fachjournal „Communications Earth & Environment“. Auch die Dokumente erwähnten ungewöhnliche Trübungen und einen verdunkelten Mond, was auf vulkanische Aktivitäten hindeutet.

Folgen der Ernteausfälle

Der vermutete Vulkanausbruch oder eine Ansammlung von Ausbrüchen um 1345 führte dazu, dass die jährlichen Temperaturen aufgrund des Vulkanstaubs und der Gase sanken. Dies bewirkte Ernteausfälle im gesamten Mittelmeerraum. Um Hunger und Unruhen zu vermeiden, begannen die italienischen Seerepubliken Venedig, Genua und Pisa mit dem Transport von Getreide aus dem Schwarzer Meer.

Handelsrouten und ihre Konsequenzen

Die mächtigen italienischen Stadtstaaten hatten seit über einem Jahrhundert Handelsrouten durch das Mittelmeer und das Schwarze Meer etabliert, die es ihnen ermöglichten, ein effektives System zur Hungervermeidung zu aktivieren, so Bauch. Doch die Folge war weitaus schlimmer: Schiffe, die das Getreide transportierten, hatten offensichtlich mit Yersinia pestis infizierte Flöhe an Bord, was frühere Forschungen bereits nahelegten.

Europa vor der Epidemie

In den Mittelmeerhäfen des 14. Jahrhunderts wurden diese Schiffe zum Ausgangspunkt der Krankheitswelle, die rasch ganz Europa erfasste und große Teile der Bevölkerung tötete. Büntgen weist darauf hin, dass in vielen europäischen Städten noch immer Hinweise auf den Schwarzen Tod zu finden sind. Beispielsweise wurde das Corpus Christi College in Cambridge von Stadtbewohnern gegründet, nachdem die Pest die lokale Gemeinschaft stark dezimiert hatte. Ähnliche Beispiele sind im gesamten Kontinent zu finden.

Forschung und Standort des Ausbruchs

Welcher Vulkan oder welche Vulkane damals den ersten Dominostein in dieser Kette zum Wanken brachten, bleibt jedoch unklar. Die Forscher vermuten, dass die Tropen als Standort in Betracht gezogen werden könnten. Seit dem Ende der Dritten Pandemie ist Europa pestfrei, während andere Weltregionen bis heute regelmäßig heimgesucht werden, mit Tausenden von Fällen jährlich.