Wissenschaftler empfehlen: So bleibt das Gehirn aktiv und leistungsfähig

Das Gehirn verhält sich wie ein Muskel – wenn man es nicht trainiert, wird es schwach und verliert seine Funktion. Die Antwort auf die Frage, wie man eine geistige Trägheit verhindern und die Widerstandsfähigkeit gegen degenerative Krankheiten stärken kann, ist überraschend einfach: Es reicht aus, das Gehirn täglich ein wenig herauszufordern.

Der Neurowissenschaftler Aleš Benjamín Stuchlík vom Physiologischen Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik betont, dass das Training des Gehirns für alle eine tägliche Selbstverständlichkeit sein sollte. „Wann sollte man anfangen? Gute Frage. Die Antwort lautet ‚sofort‘“, empfiehlt er und rät zu einem abwechslungsreichen und regelmäßigen Training, das Freude bereitet. Zu den effektiven Methoden gehören Gedächtnistests, Lückentexte, Kreuzworträtsel, Sudoku und Wortsuchspiele. Wichtig ist auch die soziale Interaktion sowie der effektive Umgang mit Stress.

Singen, Bewegen und gesund essen

Stuchlík weist darüber hinaus auf den negativen Einfluss von Smartphones auf das Gedächtnis hin. Daher rät er, deren Nutzung zu reduzieren und sich stattdessen Aktivitäten zu widmen, die das Gehirn stimulieren und seine Gesundheit unterstützen. Internationale Studien bestätigen die positiven Auswirkungen eines solchen Trainings auf die kognitiven Funktionen. Eine Untersuchung, veröffentlicht im International Journal of Geriatric Psychiatry, ergab beispielsweise, dass das Spielen eines Instruments oder Singen das Gedächtnis und die Problemlösungsfähigkeiten von Erwachsenen über vierzig Jahren verbessert.

Weitere Studien zeigen, dass regelmäßige körperliche Betätigung wie Aerobic oder Yoga die kognitiven Funktionen unterstützt, einschließlich Gedächtnis und das Bewältigen komplexer Aufgaben. Sowohl mentale als auch körperliche Aktivitäten haben positive Auswirkungen auf die sogenannte Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Gehirns, sich an veränderliche Bedingungen anzupassen. „Das Gehirn besteht zu sechzig Prozent aus Fett, wodurch es das fettreichste Organ im Körper ist“, erklärt Neurologe Kapil Sachdeva vom Northwestern Medicine Institut. „Lipide spielen eine entscheidende Rolle für seine Leistung, daher ist es wichtig, körperliche und geistige Aktivitäten mit einer Ernährung, die gesunde Fette enthält, zu ergänzen“, fügt er hinzu.

Hilft Ihnen das Training?

Der Begriff „mentales Training“ ist modern und mehr oder weniger vertrauenswürdige Neurocoaches versprechen mit seiner Anwendung alles – von einer Verbesserung des Gedächtnisses über schnellere Denkprozesse bis hin zu zügigem Lösen komplizierter Probleme oder höherer Intelligenz. Es ist nicht überraschend, dass daraus ein Milliardengeschäft entstanden ist. Wie beeinflussen jedoch Aktivitäten, die eine „Verbesserung“ der Kognition garantieren, tatsächlich die mentalen Kapazitäten? Dies wollte die britische BBC zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Cambridge, unter der Leitung von Adrian M. Owen, herausfinden.

Über elf Tausend Menschen nahmen an einer sechs wöchigen Online-Studie teil, während derer sie mindestens dreimal pro Woche verschiedene Aufgaben zur Gedächtnis-, Konzentrations-, Logik- und räumlichen Fähigkeiten erfüllten. Sie wurden in drei Gruppen eingeteilt: Gruppe A trainierte logisches Denken, Planung und Problemlösung, während Gruppe B sich auf Kurzzeitgedächtnis, mathematische Fähigkeiten, Aufmerksamkeit und räumliches Wahrnehmen konzentrierte. Die Kontrollgruppe beantwortete zufällige Wissensfragen ohne kognitives Training. Zu Beginn und am Ende der Studie absolvierten die Teilnehmer sogenannte Benchmark-Tests, die allgemeine kognitive Fähigkeiten wie Gedächtnis, Logik oder Lernen messen. Die Ergebnisse überraschten die Forscher.

„Die Teilnehmer verbesserten sich deutlich in den Aufgaben, die sie direkt trainierten, und je mehr sie übten, desto besser waren sie“, bestätigt Owen. „Fortschritte wurden jedoch nicht auf untrainierte Aufgaben übertragen. Es gab also kein ‚generelles Upgrade der Gehirnkapazitäten‘.“ Die Kontrollgruppe, die kein systematisches Training durchführte, zeigte in den Tests nahezu denselben Fortschritt wie die trainierten Gruppen. Es handelte sich vielmehr um den Einfluss wiederholter Tests als um einen tatsächlichen Ausbau kognitiver Fähigkeiten. „Verbesserungen bei spezifischen Aufgaben sind real“, belegt Owen. „Wenn Sie oft Sudoku lösen, werden Sie besser darin. Glauben Sie jedoch, dass Ihnen das Lösen von Kreuzworträtseln beim Konzentrieren auf der Arbeit helfen wird oder dass Sie schneller neue Zusammenhänge erfassen, so muss ich Sie enttäuschen.“

Der Streitpunkt

Trotz der Behauptungen von Influencern und Coaches bleibt die Wirksamkeit des mentalen Trainings umstritten. Studien zeigen, dass allgemeine kognitive Fähigkeiten wie Intelligenz oder die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses nur minimal oder gar nicht auf diese Weise verbessert werden können. Psychologe Fernand Gobet hebt zudem hervor, dass Lernen sehr bereichsspezifisch ist und Fähigkeiten, die in einem Bereich erworben werden, schwer auf andere übertragen werden können. Metaanalysen, die sich mit verschiedenen Trainingsmethoden – sei es durch Videospiele, Musik oder Schach – beschäftigen, zeigen, dass die Ergebnisse durch unterschiedliche Messmethoden und zufällige Abweichungen bei der Stichprobenauswahl beeinflusst werden.

Der amerikanische Psychologe Shawn Green kann als „Pionier“ des mentalen Trainings angesehen werden, der im Jahr 2019 eine großzügigere Forschungsfinanzierung nutzte und eine brandneue Methodologie zur Untersuchung mentalen Trainings einführte. Ein wichtiger und gleichzeitig vernachlässigter Begriff ist der sogenannte Transfer, also die Übertragung erworbener Fähigkeiten von einem Bereich auf einen anderen. Dabei unterscheidet man zwischen zwei Arten: Bei der nahen Übertragung erfolgt eine Verbesserung in vielen sehr ähnlichen kognitiven Bereichen, was beispielsweise durch das Anhören von Buchstabensequenzen und das Entscheiden getestet wird, ob der aktuelle Buchstabe mit dem vorherigen übereinstimmt. Beides erfordert das Einschalten des Arbeitsgedächtnisses, es unterscheidet sich nur im Format. Bei der fernen Übertragung hingegen kommt es zu Verbesserungen in mehreren Bereichen, die auf den ersten Blick nicht miteinander verbunden sind, beispielsweise wenn das Gedächtnistraining zu einer Erhöhung der Ergebnisse in einem IQ-Test führt.

Laut Green kann nur der Nachweis der fernen Übertragung die tatsächliche Wirkung von mentalem Training rechtfertigen: „Nur wenn es gelingt, die Kognition in mehreren nicht zusammenhängenden Bereichen zu verbessern, kann man sagen, dass es tatsächlich funktioniert.“ Obwohl viele seiner Vorschläge – zum Beispiel die Betonung der Größe der Teststichprobe, die Bedeutung von Kontrollgruppen oder exakte Terminologia – als wissenschaftlich genau angesehen werden können, beging Green bei seiner Forschung mehrere wesentliche Fehler. Der Hauptfehler lag in der falschen Definition von kognitivem Training: Der Psychologe weigert sich zu akzeptieren, dass Aktivitäten wie Musik, Schach oder Videospiele die Kognition verbessern würden. Damit widerspricht er dutzenden anderer Studien, die diese Aktivitäten nachweislich mit kognitiven Vorteilen verknüpfen. Wer hat also recht?

Musik als klarer Sieger

Eine im Jahr 2024 veröffentlichte Studie im International Journal of Geriatric Psychiatry widerlegt die Ergebnisse des amerikanischen Psychologen und bringt faszinierende Erkenntnisse darüber, wie Musik das Gehirn fit hält. Fachleute beobachteten über eintausend Erwachsene über vierzig Jahren, mit einem Durchschnittsalter von achtundsechzig Jahren, um herauszufinden, welche Freizeitaktivitäten die kognitiven Fähigkeiten am meisten fördern. Und Musik – sei es Singen, das Spielen eines Instruments oder nur Zuhören – setzte sich klar durch.

„Menschen, die ihr Leben lang Musik machen, erzielen in Gedächtnistests, bei der Geschwindigkeit der mentalen Verarbeitung und der Effektivität beim Problemlösen deutlich bessere Ergebnisse als diejenigen, die keine Erfahrung damit haben“, bestätigte Neurologin Gaia Vetere. „Der bemerkenswerteste Einfluss auf das Gedächtnis und die exekutiven Funktionen, also die Fähigkeit zu planen und komplexe Aufgaben zu lösen, hatte das Spielen von Tasteninstrumenten“, erklärte Anne Corbett von der Universität Exeter. Auch das Spielen von Blasinstrumenten verbesserte das Gedächtnis, während das Singen zu einem besseren Umgang mit komplexen Aufgaben führte.

Der Grund dafür ist laut Wissenschaftlern einfach – das Spielen und Lesen von Noten stellt eine komplexe geistige Aktivität dar, die das Gehirn intensiv stimuliert. „So entsteht ein dichteres Netzwerk von Nervenverbindungen, ähnlich wie beim Erlernen einer neuen Sprache oder beim Spielen von mentalen Trainingsspielen“, erläutert Corbett.

Wo Worte versagen

Warum funktioniert Musik so gut? Weil sie im Gehirn diverse Bereiche aktiviert, von den Hörzentren über Regionen, die mit Gedächtnis und Aufmerksamkeit verbunden sind, bis zu Bewegungs- und Emotionszentren. Es konnte nachgewiesen werden, dass bei Patienten mit Alzheimer die musikalische Erinnerung auch in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung erhalten bleibt, während andere Erinnerungsarten unwiderruflich verschwinden. Menschen, die die Fähigkeit zu sprechen verloren haben, können dennoch bekannte Melodien erkennen oder sogar ein Instrument spielen, das sie in ihrer Jugend erlernt haben.

„Musik hat eine einzigartige Kraft in der Betreuung von Menschen mit Demenz. Sie kann tiefere Schichten des Gedächtnisses ansprechen, hilft, Kontakt herzustellen, wo Worte versagen, und gibt den Patienten ein Gefühl der Identität zurück. Obwohl noch ein langer Weg vor uns liegt, scheint Musik das richtige Element zu sein, das die Welt der Erkrankten mit unserer – menschlichen, einfühlsamen und melodiereichen – verbindet“, schrieb der indische Akademiker Balakrišnan Nair im Jahr 2013 und leitete damit umfangreiche Forschungsarbeiten über den Einfluss von Musik auf die Verzögerung von Demenz und anderen neurodegenerativen Erkrankungen, einschließlich Alzheimer und Parkinson, ein.

Das Wunderwerk Gehirn

Nach den Wissenschaftlern hat das Gehirn nahezu unbegrenzte Kapazitäten. „Es besteht aus etwa sechsundachtzig Milliarden Neuronen“, erklärt Kapil Sachdeva. „Jedes verbindet sich mit anderen und bildet zusammen bis zu eine Billiarde Verbindungen.“ Informationen verbreiten sich im Gehirn zudem mit beeindruckender Geschwindigkeit von bis zu 120 Metern pro Sekunde. Die Behauptung, dass wir nur zehn Prozent unserer Gehirnkapazität nutzen, ist ein Mythos. „Wir nutzen es vollständig, auch wenn wir schlafen“, bestätigt der Neurologe.

„Ein Stück seines Gewebes in der Größe eines Sandkorns enthält bis zu hunderttausend Neuronen und eine Milliarde Synapsen. Das Gehirn arbeitet zudem mit einer Leistung von etwa zwanzig Watt, was ausreichen würde, um eine Glühbirne zu betreiben.“ Damit das zentrale Organ all dies bewältigen kann, darf es auch nicht eine Sekunde lang seine Aktivität verringern.