Die Bedrohung durch Eiseskälte: Europas Zentralheizung vor einem Kollaps

Bei tiefem Schnee und minus 30 Grad Celsius steht die europäische „Zentralheizung“ vor einer gefährlichen Situation. Die Möglichkeit, dass Deutschlands Bürger in der Kälte bibbern müssen, ist laut einer neuen Studie wahrscheinlicher als zuvor angenommen.

Amoc: Eine zentrale Meeresströmung in Gefahr

Die Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) wurde von Klimawissenschaftlern untersucht und zeigt nun, dass ein Kollaps näher bevorstehen könnte als gedacht. Die Konsequenzen wären gravierend: Ein Zusammenbruch dieses entscheidenden Meeresströmungssystems würde zu extrem kalten Wintern in Deutschland führen. Dieses Szenario stellt eine paradoxe Folge der globalen Erwärmung dar. Während die globale Durchschnittstemperatur steigt, könnten die Temperaturen im Norden Europas unter das vorindustrielle Niveau sinken.

Die AMOC, zu der auch der Golfstrom gehört, funktioniert wie eine riesige Umwälzpumpe und heißt als das „thermische Herz“ Europas. Warmes Wasser, das durch die Sonne in den Tropen erhitzt wurde, fließt an der Meeresoberfläche nach Norden, während kaltes Wasser in die Tiefen der Ozeane gepumpt wird und nach Süden strömt.

Folgen eines AMOC-Kollapses für Deutschland

Eine Untersuchung der Universität Utrecht hat ergeben, dass die Temperaturen in Deutschland ohne die AMOC deutlich ungemütlicher ausfallen würden. So würde in Hamburg alle zehn Jahre eine Temperatur von minus 30 Grad erreicht, während in München jedes Jahr etwa 137 Frostnächte zu erwarten wären. Auch in Berlin würden die Temperaturen an 40 Tagen im Jahr tagsüber den Gefrierpunkt nicht überschreiten. Dieses alarmierende Szenario basiert auf der Annahme einer globalen Erwärmung von zwei Grad und einem gleichzeitigen Zusammenbruch der AMOC.

Aktuelle Forschungsansätze und Warnungen

Die Einschätzung zur Wahrscheinlichkeit eines AMOC-Kollapses war über Jahrzehnte hinweg als gering eingestuft worden. Neuere Modelle, die von verschiedenen Wissenschaftlern über längere Zeiträume durchgeführt wurden, zeigen jedoch besorgniserregende Ergebnisse. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung war in die Analyse involviert, die im Fachjournal „Environmental Research Letters“ veröffentlicht wurde. Er vergleicht die Hereinnahme der aktuellen Situation mit dem bevorstehenden Absturz eines Flugzeugs.

Selbst wenn die globalen CO2-Emissionen auf ein Niveau sinken, das mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang steht, wird in der Studie die Gefahr eines AMOC-Zusammenbruchs auf 25 Prozent beziffert. Bei höheren Emissionen wird diese Wahrscheinlichkeit auf bis zu 70 Prozent erhöht. Rahmstorf merkt an, dass bereits eine einprozentige Wahrscheinlichkeit für ihn zu hoch wäre, da niemand ein Flugzeug besteigen würde, wenn die Absturzgefahr nur bei einem Prozent liegt.

Der Kipppunkt und die Dringlichkeit der Maßnahmen

In den Simulationen wird der Zusammenbruch der AMOC durch einen Kipppunkt ausgelöst. Dieser Kipppunkt tritt auf, wenn die Meere des Nordens durch die Klimakrise wärmer werden. Das Oberflächenwasser wird dadurch weniger dicht und sinkt weniger gut ab, was die gesamte Strömung schwächt. Gleichzeitig gelangt weniger warmes, salzhaltiges Wasser in den Norden, was die Situation weiter verstärkt.

Wissenschaftler warnen, dass nur noch wenig Zeit bleibt, um einen solchen Kipppunkt zu verhindern. Rahmstorf erklärt, dass die Simulationen darauf hindeuten, dass der Kipppunkt in entscheidenden Bereichen des Nordatlantiks in den nächsten Jahrzehnten erreicht werden könnte.

Langfristige Auswirkungen eines AMOC-Kollapses

Die Studie prognostiziert, dass die Strömungen der AMOC 50 bis 100 Jahre nach Erreichen des Kipppunkts, also nach dem Jahr 2100, komplett zum Erliegen kommen könnten. Die Wärmemenge, die der Ozean im nördlichen Atlantik abgibt, würde auf weniger als 20 Prozent des heutigen Wertes sinken, in einigen Modellen sogar auf null.

Dieser Prozess scheint bereits im Gang zu sein. Rahmstorf darauf hin, dass zahlreiche Indikatoren und Studien zeigen, dass die AMOC bereits geschwächt wird. Er warnt: „Wir sprechen hier von einem Risiko, das wir aufs Spiel setzen sollten.“ Die Veränderungen der Strömungen im Atlantik zählen zu den dramatischsten klimatischen Veränderungen in der jüngeren Erdgeschichte.

Die Folgen eines AMOC-Kollapses wären nicht nur in Europa spürbar. Der tropische Niederschlagsgürtel könnte sich verschieben, was je nach Region zu verheerenden Überschwemmungen oder anhaltender Dürre führen könnte. Darüber hinaus wird ein weiterer Anstieg des Meeresspiegels um bis zu einem Meter im Nordatlantik sowie eine verringerte CO2-Aufnahmekapazität des Ozeans erwartet.

Ein irreversibler Prozess?

Rahmstorf betont, dass die gegenwärtigen Wahrscheinlichkeiten eines AMOC-Kollapses möglicherweise zu optimistisch eingeschätzt werden. Die Standardmodelle berücksichtigen das zusätzliche Süßwasser, das durch das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds in das System gelangt, nicht. Dies könnte die Anfälligkeit des Systems weiter erhöhen.

Falls die Umwälzmechanismen des Atlantiks einmal zusammenbrechen, wird sie sich laut Rahmstorf voraussichtlich nicht schnell regenerieren. Er unterstreicht die Dringlichkeit: „Wenn diese Strömung stoppt, wird es Jahrhunderte bis Jahrtausende dauern, bis sie sich wiederbelebt.“