Johann Hari: „Hätte eine Frau über Ozempic geschrieben, wäre sie öffentlich zerrissen worden“

Johann Hari spricht in einem Interview über den gesellschaftlichen Druck auf Frauen in Hollywood, die mediale Doppelmoral beim Thema Abnehmen und warum über Ozempic noch immer geschwiegen wird.

Der Journalist beleuchtet die besondere gesellschaftliche Erwartung und den enormen Druck auf Frauen in Hollywood beim Thema Körperbild

08.08.2025 – 16:56 Uhr | Aktualisiert: 08.08.2025 – 16:56 Uhr

Johann Hari, preisgekrönter Journalist, sorgt erneut für Schlagzeilen – diesmal mit seinen Aussagen zum Abnehm-Medikament Ozempic. In einem aktuellen Interview erläutert er, wie unterschiedlich Gewichtsverlust in der Gesellschaft bewertet wird, insbesondere, wenn es Frauen betrifft.

Einer seiner Verleger habe gesagt: „Nur ein Mann konnte dieses Buch schreiben.“ Gemeint ist Haris Werk zum hochumstrittenen Medikament, das mittlerweile weit über Hollywood hinaus Gesprächsthema ist. Hari war überrascht, wie wenig Ozempic öffentlich diskutiert wird, bis sein Lektor trocken feststellte: „Hätte dieses Buch eine Frau geschrieben, man hätte sie öffentlich fertiggemacht.“

Im Gespräch schildert der Journalist, wie auffällig schnell etliche Prominente in letzter Zeit abgenommen haben. Zwar wird die Transformation meist auf Disziplin, Sport und gesunde Ernährung geschoben – aber Hari hinterfragt diesen Erzählstrang skeptisch: „Plötzlich scheint jeder das neue Wundermittel gegen Übergewicht gefunden zu haben – und der Effekt setzt rasend schnell ein.“

Besonders Frauen in Hollywood stünden unter dringendem Erwartungsdruck, sagt Hari. Der gesellschaftliche und mediale Umgang mit körperlichen Veränderungen von Frauen unterscheide sich gravierend von dem bei Männern: „Die Kritik, die Frauen dafür bekommen, ist deutlich schärfer und unfairer. Das ist keine Unterstellung – sondern Realität, die kaum jemand bestreitet.“

Mediale Doppelmoral aufgedeckt

Harís Aussagen befeuern die Debatte um den umstrittenen Einsatz von Medikamenten wie Ozempic und die ungleiche mediale Behandlung von Männern und Frauen. Dass Hari ohne größeren Protest sein Buch veröffentlichen konnte, zeigt für ihn einen offensichtlichen Geschlechtervorteil – ein Thema, das auch in deutschen Talkshows und Feuilletons angekommen ist.

Während immer mehr Menschen in der Bundesrepublik zu Ozempic greifen, trauen sich viele Promis nicht, offen darüber zu sprechen. Hari meint, das sei oft eine Vorsichtsmaßnahme – denn besonders prominente Frauen müssten umfangreiche Erklärungen liefern und mit medialen Angriffen rechnen, sobald Gewichtsverlust öffentlich beobachtet wird.

Schutz der Privatsphäre oder gesellschaftliche Heuchelei?

Die Unterhaltungsbranche in den USA – und auch hierzulande – hat schnelle, radikale optische Veränderungen fast schon normalisiert. Offene Worte über die eigentlichen Ursachen gibt es dagegen selten. Laut Hari trägt diese Verschwiegenheit nicht nur zu Fehlinformationen bei, sondern setzt unrealistische Schönheitsideale und Erwartungen an normale Menschen in Deutschland.

„Hollywood „hat offenbar den besten Personal Trainer der Welt gefunden“, wird ironisch bemerkt. Wahrscheinlich liegt das Geheimnis aber eher in moderner Pharma-Technik als in eiserner Disziplin“, so Hari weiter.

Der Diskurs um Ozempic und vergleichbare Medikamente ist aktueller denn je – von München bis Berlin wird in Talkshows, Podcasts und auch in Frankfurter Apotheken darüber diskutiert. Die eigentliche Frage bleibt: Können wir ein gesundes Verhältnis zum eigenen Körper entwickeln, wenn der gesellschaftliche Maßstab – insbesondere für Frauen – immer unrealistischer wird?

  • Praktischer Tipp: Wenn Sie sich mit dem Thema Medikamente zum Abnehmen beschäftigen, sprechen Sie offen mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt. Informieren Sie sich über offizielle Quellen und meiden Sie unseriöse Versprechen im Internet.
  • Fakt: Nach einer aktuellen Studie der Charité nutzen in Deutschlands Großstädten etwa 7 von 100 Frauen zwischen 30 und 50 bereits Medikamente wie Ozempic.

Besonders bedeutsam bleibt: Gesellschaftliche Offenheit und Ehrlichkeit sind der erste Schritt, um Tabus zu brechen. Nur so können wir Body-Positivity wirklich leben.