Warum verhält sich Blei so anders als jedes andere Atomkern, wenn es von Elektronen getroffen wird? Ein Team von Physikern an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat einen wichtigen Schritt zur Beantwortung dieser Frage gemacht, jedoch stellte sich heraus, dass das Rätsel noch tiefer ist als zuvor gedacht. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.
Verhalten von Elektronen und Atomkernen
Elektronen streuen normalerweise von Atomkernen auf eine Weise, die mit bemerkenswerter Genauigkeit vorhergesagt werden kann. Ein gut bestätigtes Merkmal ist, dass das Umdrehen des Spins der einfallenden Elektronen das Streumuster leicht verändern sollte. Dieser Effekt wird durch den Austausch von zwei „virtuellen Photonen“ zwischen dem Elektron und dem Kern hervorgerufen.
Für die meisten Kerne sagt die Theorie genau voraus, wie groß dieser winzige Effekt sein sollte. Jahrzehntelange Experimente haben diese Vorhersagen bestätigt. Blei jedoch hat schon immer herausgestochen. Frühere Messungen, die am Thomas Jefferson National Accelerator Facility des US-Energieministeriums durchgeführt wurden, zeigten, dass dieser spindependente Effekt für Blei anscheinend vollständig verschwand, ein Ergebnis, das keine bestehende Theorie erklären konnte.
Das Experiment am Mainz Microtron
In einem neuen Experiment, das mit den hochauflösenden A1-Spektrometern am Mainz Microtron (MAMI) durchgeführt wurde, maß das JGU-Team denselben Prozess bei einer anderen Beamenergie und Streuwinkel. Diesmal war der Effekt deutlich vorhanden und überraschend groß. Anstatt das frühere Anomalie zu klären, intensiviert die neue Messung es: Das Verhalten des Bleikerne ändert sich drastisch mit der Energie auf eine Weise, die die derzeitige Theorie nicht erfasst.
„Dieses Ergebnis bestätigt, dass das Rätsel real ist“, sagt Professor Dr. Concettina Sfienti, die das Projekt leitet. „Es bedeutet, dass es unerforschte Physik gibt, wie Elektronen schwere Kerne untersuchen, und wir benötigen neue theoretische Ideen, um dies zu verstehen.“
Wichtige Implikationen für zukünftige Experimente am MESA
Die Ergebnisse haben auch starke Implikationen für das zukünftige P2-Experiment am neuen MESA-Beschleuniger, der derzeit auf dem Mainzer Campus als Teil des PRISMA++ Excellence Clusters gebaut wird. Am MESA werden Forscher äußerst kleine Effekte im Elektronenscattering messen, um das Standardmodell mit beispielloser Genauigkeit zu testen. Das Verständnis der Rolle des Zwei-Photonen-Austauschs in schweren Kernen – wie das überraschende Verhalten, das jetzt bei Blei zu sehen ist – ist entscheidend für die Erreichung der benötigten Präzision am P2.
„Mit diesem neuen Ergebnis von MAMI gewinnen wir ein viel klareres Verständnis davon, was verstanden werden muss, bevor wir den nächsten Präzisionslevel am MESA anstreben“, erklärt Sfienti. „Was wir heute messen, gestaltet direkt die road map für die hochpräzise Physik von morgen.“
Zusätzliche Informationen
Mehr Informationen: A. Esser et al, Beam-Normal Single-Spin Asymmetry in 208Pb at Low Energy: Discrepancy Resolved or New Kinematic Puzzle?, Physical Review Letters (2025). DOI: 10.1103/fd61-xxk6
Zeitschrifteninformation: Physical Review Letters
Bereitgestellt von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz











